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Christophs Tonband-Seiten
- Vergleichstest Revox A77 / B77 / A700 aus Audiophile 03/2003
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ReView
Nahezu alles, was elektrisch oder elektronisch zu betreiben ist, verliert binnen kurzer Zeit an Faszination. Das ist die Regel, für die Produkte wie Handys, TVs oder Videorecorder stehen. Die Ausnahme davon bilden eine Reihe von HiFi-oder High-End-Geräten, die mit der Zeit eher an Faszination und somit an Wert gewinnen. Diesen Juwelen widmet sich ab sofort die neue Rubrik AUDIOphile ReView. Und das umfassend. Erfahrene Autoren beschränken sich darin nicht nur darauf, diese Produkte fotografieren zu lassen und zu beschreiben, wie schön die Zeit damals war. Oder darauf, bestenfalls Tipps zu geben, wo diese Prachtstücke zu reparieren sind - sie setzen sich vielmehr auch profund mit dem Klang auseinander. Das AUDlOphile-Labor wiederum misst diese highfidelen Meilensteine von gestern mit der Technik von heute.
 
AUDIOphile ReView startet mit Bandmaschinen von Revox - die legendären A 77, B 77 und A 700. Die sind in der Tat nicht von gestern und heute noch jeden Euro wert, der darin investiert wird. Wer eine davon besitzt, darf sich glücklich schätzen. Und weil ihre Bedeutung für Liebhaber und Sammler so gewaltig ist, startet AUDIOphile ReView mit einem Supertest von Seite 8 bis Seite 27.
 
Einer der erfahrensten Kenner dieser Maschinen, Jürgen Schröder, hat sich ausführlich damit beschäftigt. Nicht erst für diesen Artikel: Schröder schreibt hier die Geschichte seines Lebens.
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Die Revox A 77 wurde von 1967 bis 1977 gebaut. Sie war die erste voll transistorisierte Bandmaschine mit drei Motoren und drei Tonköpfen für den Heimbereich. Hervorragend waren das robuste Druckguss-Chassis und der laufruhige, präzise Tonwellenmotor. Das Bild zeigt eine Revox A 77 Mk IV von 1976.   Die 1977 vorgestellte Revox B 77 verbesserte das bewährte A-77-Konzept durch ein größeres Chassis, das in der Praxis für eine günstigere Ergonomie sorgte. Zudem wurden die Laufwerkssteuerung verfeinert und der Signalweg optimiert. Die hier abgebildete Revox B 77 Mk II stammt aus dem Jahr 1987.   Mit einem quarzgesteuerten Antrieb, der drei Bandgeschwindigkeiten und eine weit reichende Tonhöhenregelung bot, richtete sich die 1973 vorgestellte Revox A 700 an den anspruchvollen HiFi-Fan. Mit eingebautem Stereo-Mischpult und vielfältigen Trickmöglichkeiten war sie der Traum ambitionierter Tonband-Fans.
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Zu Beginn der 70er-Jahre schüttelte das Spulentonbandgerät sein spießiges Image endgültig ab.
Die Bandmaschine war geboren.
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War es auch mein sehnlichster Jugendtraum, eine eigene Bandmaschine zu besitzen - es gab Zeiten, da wäre eine Revox für mich nicht in Frage gekommen. Dass ich mittlerweile gleich zwei Prachtstücke der Schweizer Traditionsmarke besitze, ist eine spannende Geschichte. Sie führt zurück ins Jahr 1970: Die damals anbrechende HiFi-Stereo-Ära befreite das Magnetofon vom spießigen Image als Papas Sonntagsspielzeug zur Aufnahme von Familienfeiern oder frühkindlicher Sprechversuche - aus dem Tonbandgerät wurde die Bandmaschine. Diese Blütezeit der Open-Reel-Geräte brachte viele hochwertige Heimton-Maschinen hervor. Die berühmtesten unter ihnen hießen Uher Royal de Luxe, Philips N 4407, Saba TG 543 Stereo und allen voran natürlich Revox A 77.
 
Warum ich diese Namen noch immer spontan aus dem Ärmel schütteln kann? Ganz einfach: Weil die Bandmaschine damals für alle Musik- und Technikbegeisterten denjenigen Stellenwert einnahm, den heute der Computer besitzt. Ähnlich, wie die Kids heutzutage MP3-Files aus dem Internet saugen, war damals das Mitschneiden populärer Radiosendungen eine Art Volkssport. Wenn Hans Werres beim Hessischen Rundfunk oder Achim Sonderhoff beim WDR ihre Abendsendungen moderierten, begleiteten sie Hunderttausende andächtig lauschender Zuhörer, die mit höchster Aufmerksamkeit und startbereitem Finger an der Pause-Taste dem nächsten Titel entgegenfieberten. Penibel wurde jeder Ton aufs Band gebannt, optimal ausgesteuert natürlich, damit es weder rauschte noch verzerrte - Ansagefetzen, Knackser oder angeschnittene Töne waren absolut verpönt.
 
Damals, im zarten Alter von elf Jahren, besaß ich weder ein Tonbandgerät noch fundiertes Technik-Wissen. Was ich jedoch mit vielen Magnetband-Fans teilte, war die Abneigung gegen Revox. Natürlich wussten wir, dass die A 77 schlichtweg "die Beste" war. Argumente dafür gab's ja auch genug: Rückten in den meisten Geräten höchst verschleißträchtig Dutzende von Schaltstangen allerlei Rädchen oder Kontaktschieber an die richtige Stelle, wenn man die Starttaste drückte, so presste bei der A 77 lediglich der Hubmagnet die Gummiandruckrolle mit sattem Klack gegen die Tonwelle.
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Technik im Detail
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Die kräftigen Außenläufer-Wickelmotoren der A 77 (links) erzielten auch mit schweren Metallspulen hohe Umspulgeschwindigkeiten.   Dank ihres verwindungssteifen Druckguss-Chassis war die A 77 mechanisch äußerst robust. Zudem glänzte sie durch servicefreundlichen Aufbau.   Durch ihr modulares Konzept mit steckbaren Baugruppen ließ sich die Revox A 77 dem jeweiligen Verwendungszweck optimal anpassen.
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Herkömmliche Bandmaschinen besaßen einen einzigen, zentralen Motor, der für den Bandtransport sowie das Auf-und Abwickeln der Spulen gleichermaßen zuständig war. Den für zuverlässigen Band-Kopf-Kontakt wichtigen Abwickelbandzug erzeugten anfällige Kombinationen aus Filzscheiben-Rutschkupplungen in den Wickeltellern und Andruckfilzen vor den Tonköpfen. Nicht so bei der A 77: Sie besaß drei Motoren - Wickelmotor links, Wickelmotor rechts sowie den Tonwellenmotor für den Bandantrieb. Ab- und Aufwickel-Bandzug erzeugte sie verschleißfrei mittels exakt dosierter Spannungswerte für die Wickelmotoren. Die kräftigen Außenläufer konnten zudem große Spulen mit bis zu 26,5 Zentimeter Durchmesser bewegen. Das ermöglichte gegenöber den damals üblichen 18er-Spulen bei gleichem Bandmaterial und gleicher Geschwindigkeit eine Verdoppelung der Spielzeit. Überdies ergab die Drei-Motoren-Bauweise ein geradezu atemberaubendes Umspultempo.
 
Die meisten Tonbandgeräte zu Beginn der Siebziger waren Zweikopf-Geräte: Neben dem Lösch- besaßen sie einen Kombikopf, der für Aufnahme und Wiedergabe gleichermaßen zuständig war. Je nach gewählter Betriebsart wurden auch die elektrischen Verstärkerstufen umgeschaltet. Das war zwar eine Bauteile sparende, aber äußerst kompromissbehaftete Lösung, die obendrein Fehlfunktionen provozierte. Die A 77 hingegen arbeitete mit getrennten Köpfen für Aufnahme und Wiedergabe. Für die jeweilige Betriebsart optimierte Kopfspalte (breit für die Aufnahme, schmal für die Wiedergabe) verbesserten die Aussteuerbarkeit und den Hochton-Frequenzgang. Zudem ermöglichte die Bestückung mit separaten Verstärkerzügen für Aufnahme- und Wiedergabekopf, dass sich die Aufnahme zur unmittelbaren Qualitätsprüfung noch während der Aufzeichung abhören ließ (Hinterbandkontrolle).
 
Drei Köpfe, drei Motoren, ein robustes Druckguss-Chassis, Hinterbandkontrolle und dazu noch Platz sparender Senkrecht-Betrieb mit großen Spulen - ihr kompromissloses Konzept machte die A 77 damals absolut unangreifbar. Sie war die einzige Bandmaschine, die die Technik von Studio-Geräten ohne Wenn und Aber in den Heimbereich transferierte. Klar, dass sie mit über 1800 Mark deutlich mehr kostete als die Konkurrenz. Doch uns Tonband-Fans provozierte nicht ihr hoher Preis, sondern ihre Unantastbarkeit - unser Nein zu Revox war die Auflehnung gegen das Establishment, die Solidarisierung mit den Schwächeren, das Kultivieren des Unvollkommenen: Mit der elitären A 77 konnte ja jeder gute Aufnahmen machen, aber mit einer höchst unberechenbaren Telefunken - das war wahre Kunst.
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Technik im Detail
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Aufsprech- (links) und Wiedergabeverstärker der A 77 lassen sich mit neueren Bauteilen verbessern. Die weißen Block-Elkos sollten in jedem Fall ersetzt werden.   Im Anschlussschacht der B 77 finden sich zwei Einstellregler zum Einpegeln der Ausgangsspannung. DIN-Buchsen gehörten damals noch zum Standard.   Der Kopfträger der B 77 bot ausreichend Platz für Cutter-Arbeiten. Die praktische Schneideeinrichtung (rechts) gehörte zur Grundausstattung der Revox.
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Meine erste Bandmaschine war eine Philips N 4511 Baujahr 1976: Sie verwirklichte das Drei-Kopf-Drei-Motoren-Konzept zum nicht mal halben Preis einer A 77 und war damit so etwas wie die Revox Populi. Obwohl sie eine durchaus beachtliche Performance bot, währte die Freude an ihr nicht allzu lang: Die für bessere Wickeleigenschaften teils rückseitig mattierten Bänder schmirgelten die Tonkopf-Andruckfilze reihenweise ab - Putzen statt Benutzen war die Parole.
 
Obwohl eine A 77 solche Probleme nicht kannte, war Revox für mich noch immer tabu. Lieber flirtete ich mit der Teac A-3300 oder der Tandberg 10 X. Zu tief saß der Stachel, den der Revox-Mitarbeiter im weißen Schwarze-Rose-Hemd auf der Düsseldorfer HiFi-Messe 1977 hinterließ. "Sie wünschen?", fragte er süffisant, wohl wissend um den hohen Status seiner Marke - und um die Tatsache, dass ich mir die damals neu vorgestellte Revox B 77 als armer Azubi ohnehin nicht leisten konnte.
 
Bis zu meiner Aussöhnung mit Revox sollten denn auch noch weitere zehn Jahre vergehen. 1987 begann ich mein Toningenieur-Studium an der School of Audio Engineering in Frankfurt. Für Analogschnitt-übungen gab es dort einen Raum, der mit vier Bandmaschinen bestückt war. Drei davon stammten von einem japanischen Hersteller , die vierte war eine Revox B 77 Mk II - eben jenes Exemplar, welches auf dem Aufmacherbild zu sehen ist.
 
Beim Buchen von Schneidezeit war ich jedes Mal heilfroh, wenn ich den B-77-Platz ergattern konnte: Im Gegensatz zu den anderen Maschinen bot die Revox variable Bandgeschwindigkeiten, genügend Platz vor den Tonköpfen zum Markieren der Schnittpunkte, einen Reverse-Schalter zum Vertauschen der Stereo-Kanäle sowie einen hervorragenden Kopfhörerverstärker, der nicht nur gut klang, sondern auch ordentlich Lautstärke erzeugen konnte. Kurzum: Die B 77 war ein richtiger Luxus-Schnittplatz.
 
Doch nicht nur Ausstattung und Ergonomie, sondern auch ihre Haptik machte das Arbeiten mit der B 77 zur Freude. Die Regler waren solide, griffig und liefen satt, die Anzeigecharakteristik der großen VU-Meter mit den integrierten Spitzenwert-Lämpchen war praxisgerecht gewählt, und die Kurzhubtasten für die Laufwerkssteuerung ließen auch bei langen Edit-Sessions nicht die Finger ermüden. Beim Einschalten drehte der Tonwellenmotor kurz mit feinem, turbinenartigem Pfeifen hoch und glänzte danach durch absolute Geräuschlosigkeit. Musste ich dennoch mal auf eine andere Maschine ausweichen, war das jedesmal ein Kulturschock -auf einmal fand ich Gefallen an der Revox-Welt.
 
Einige Zeit später arbeitete ich neben dem Studium als technischer Supervisor bei der SAE und war damit auch für das Warten der Bandmaschinen zuständig. Musste ich bei den japanischen Geräten beinahe jede Woche einen Tastensatz für die Laufwerkssteuerung ersetzen, so erlebte die B 77 trotz härtester Beanspruchung nicht einen einzigen Service-Fall. Hunderte fleißiger Studenten arbeiteten an ihr, um kilometerweise Viertelzoll-Band zu verschnippeln - wie die Fotos beweisen, ging das nahezu spurlos an ihr vorüber.
 
Mit Abschluss des Studiums brauchte ich dann eine zuverlässige Master-Maschine. Gegen ein geringes Lösegeld befreite ich die B 77 von ihrem tristen Dasein als Cutter-Maschine und baute sie zur High-Speed-Version mit den Bandgeschwindigkeiten 19 und 38 Zentimeter pro Sekunde um. Eine wochenendfüllende Aktion, aber mit Service-Anleitung , Messbändern und den nötigen Teilen durchaus zu bewerkstelligen. Bei dieser Gelegenheit änderte ich auch gleich die Frequenzgang-Entzerrung von der amerikanischen NAB- in die europäische CCIR/DIN-Norm. Der Unterschied: Die mildere NAB-Entzer-rung(lECII) bietet etwas mehr Dynamikreserven im Hochtonbereich und ist daher günstiger für Heimton-Geräte mit den niedrigeren Bandgeschwindigkeiten 9,5 und 19 cm/s. Die CCIR-Entzerrung (lEC 1) hingegen rauscht weniger und ist daher bei Studiomaschinen mit 38 cm/s die bessere Wahl, da bei diesem Tempo die Höhendynamik des Bandes ausreichend groß ist. Der Umbau war nicht nur spannend und lehrreich, sondern auch klanglich ein voller Erfolg: Etliche Berufskollegen gestanden mir damals neidlos zu, dass meine upgedatete B 77 abgehe wie s"Schmidts Katze".
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Technik im Detail
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Für die High-Speed-Version der B 77 wird eine Tonwelle mit größerem Durchmesser (Bildmitte) als bei der Standardausführung verwendet.   Den hochpräzisen, verschleißfreien Tonwellenmotor übernahm die B 77 vom A-Modell. Rechts im Bild der induktiv arbeitende Drehzahlsensor.   Anstelle eines Impulskopfes zur Steuerung von Dia-Projektoren baute AUDlOphile-Laborleiter Schüller bei seiner A 700 einen Viertelspur-Wiedergabekopf ein (rechts).
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Doch wer B sagt, muss auch A sagen: Auf den Geschmack gekommen, ergriff ich wenig später die Gelegenheit, günstig eine Revox A 77 zu erstehen. Optisch in gutem Zustand, wie das Aufmacherfoto beweist, war sie technisch nicht in bester Verfassung. In einer Fachwerkstatt lieblos zur Low-Speed-Version mit den Bandgeschwindigkeiten 4,75/s und 9,5/s umgebaut, lief der Capstan-Motor mit schwankender Drehzahl, und auch die Tonkopfjustage lag völlig daneben. Klar, dass ich die A 77 wieder in den Originalzustand mit 9,5/s und 19 cm/s instand setzen wollte: Da die Aufnahme- und Wiedergabeverstärker ohnehin zu ändern waren, bestückte ich sie mit rauschärmeren Transistoren und optimierte die Entzerrung für glatteren Wiedergabe-Frequenzgang. Kein Neuland, zeigten sich doch beim Studium der Service-Anleitung erstaunlich viele Ähnlichkeiten zur mir bestens bekannten B 77. Das Ergebnis dieser Frischzellenkur war verblüffend: Bei 19 cm/s spielte die A 77 ihre jüngere Schwester glatt an die Wand. Auch heute noch ist ihre Performance exzellent. Joachim Pfeiffer, der diese Maschine kürzlich einige Wochen in seiner Anlage verwendete, war angesichts ihrer Qualitäten völlig aus dem Häuschen - letztendlich war sie es, die den Anstoß für diese Geschichte gab.
 
Durch gezielten Bauteiletausch und sorgfältiges Einmessen lässt sich aus den Revox 77ern noch jede Menge Rauschabstand und Klang herausholen. Speziell ältere A-Modelle besitzen aufgrund ihrer eher zahmen Einstellung noch reichlich Spielraum. Mein Extrem-Erlebnis in dieser Hinsicht war eine mit Breitspur(Schmetterlings)-Tonköpfen bestückte Revox PR 99 MK II, die Profi-Schwester der B 77: Sie ließ sich nach gründlichem Einmessen dermaßen hoch aussteuern, dass die Aufzeichnung kaum noch zu löschen war. Ohnehin ist erstaunlich, welche Reserven das Konzept der 77er-Modelle bietet. So baute die britische Firma Itam auf Basis des A-77-Laufwerks eine ausladende 8-Spur-Halbzoll-Maschine.
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Technik im Detail
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Bandbewegungsmelder (Mitte) und Bandzug-Fühlhebel (rechts) bei der A 700 arbeiteten dank induktiver Kopplung verschleißfrei.   Das Aufnahme- (links) und das Wiedergabeverstärker-Modul der A 700 verwendeten integrierte Schaltkreise anstelle diskreter Transistoren.   Die Basisplatine der A 700 wirkt durch den Einsatz integrierter Schaltungen aufgeräumt. Rechts unten der Vorverstärker für den Phono-MM-Eingang.
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Doch bei allen positiven Eigenschaften hatten die 77er-Baureihen auch ihre Schwächen. Die größte: Die Wickelmotoren arbeiteten bei Aufnahme und Wiedergabe mit konstantem Drehmoment. Daher war der Bandzug bei voller linker Spule am geringsten. Unter ungünstigen Bedingungen neigten A 77 und B 77 deshalb am Bandanfang zu Instabilitäten in Sachen Pegel und Phasenlage. Mit abnehmendem Wickeldurchmesser jedoch stieg der Bandzug allmählich auf relativ hohe Werte an. Das führte dazu, dass die Bandgeschwindigkeit zum Bandende hin abfiel, war die Anpresskraft der Gummiandruckrolle ein wenig zu knapp eingestellt.
 
Derlei Schwächen waren für die dritte Revox im Bunde, die stolze A 700, kein Thema: Sie erfasste den aktuellen Bandzug per Fühlhebel und hielt ihn mittels induktiv arbeitendem, elektronischem Regelkreis auf konstantem Niveau - eine kostspielige, aber elegante Lösung. Zwar galten auch für sie die Revox-Primärtugenden Drei-Motoren-Druckguss-Laufwerk und Drei-Kopf-Technik, doch im Vergleich zu den mechanisch wie elektrisch eng verwandten 77ern ging die A 700 eigene Wege: Als zentraler Baustein der HiFi-Anlage gedacht, integrierte sie einen vollwertigen Vorverstärker mit schaltbaren Klangreglern und Stereo-Mischpultsektion - selbst ein Phono-Eingang für Plattenspieler mit Magnetsystem war vorhanden.
 
Diese Funktionsvielfalt erforderte eine komplexe Schaltungstechnik, die in herkömmlicher, diskreter Bauweise kaum zu realisieren war. So beschäftigte die A 700 im Signalweg denn auch dutzende von integrierten Schaltkreisen - ein für die damalige Zeit hypermodernes Schaltungskonzept. Auch in den besonders klangkritischen Aufnahme- und Wiedergabe-Verstärkern fanden sich bei der A 700 Operationsverstärker-lCs - aus heutiger Sicht allerdings geradezu prähistorische Exemplare. Audiophile Naturen behaupten denn auch, hinsichtlich der Tonqualität sei die A 700 den 77ern mit ihren diskret aufgebauten Stufen unterlegen. Eine gewagte These. Interessant ist allerdings, dass Revox bei den Aufnahme-/Wiedergabe-Verstärkern der deutlich jüngeren PR 99 auf die diskrete Schaltungstechnik der 77er-Modelle zurückgriff. In Sachen Bandführung hat die A 700 jedoch klar das Sagen im Revox-Trio. Ihr Laufwerk bildete denn auch die Grundlage für die berühmten A 67/B 67-Maschinen aus der Revox-Profi-Division Studer - eine der erfolgreichsten Baureihen für leichte Studiogeräte überhaupt.
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Die Profi-Ableger
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Die PR 99 Mk II war die professionelle Schwester der B 77. Sie besaß trafosymmetrierte Ein- und Ausgänge und ein elektronisches Zählwerk.   Studer verwendete für die B 67 das Bandzug-geregelte Laufwerk der Revox A 700. Die B 67 wurde vor allem in Ü-Wagen eingesetzt.
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Und nun? Gipfelt der ausgiebige Technik-Exkurs im großen Bandmaschinen-Shoot-out? Bestimmt nicht - dazu sind die technischen Voraussetzungen zu unterschiedlich. Die A 77 arbeitet mit 9,5/19 und NAB-Entzerrung, die B 77 mit 19/38 und CCIR-DlN-Entzerrung, während die A 700 alle drei Geschwindigkeiten beherrscht, aber nach NAB entzerrt - selbst mit gleichem Bandmaterial und gleicher Geschwindigkeit sind das zu unterschiedliche Startbedingungen. Auch sollte man der gezeigten A 700 von Laborleiter Peter Schüller ebenfalls eine Frischzellenkur gönnen. Ohnehin ist der Klangvergleich zwischen Bandmaschinen eher eine Zustandsbeschreibung: Eine technisch weniger anspruchsvolle, dafür exzellent eingemessene Maschine klingt häufig besser als eine theoretisch überlegene bei nicht optimaler Justage. Lassen wir's also.
 
Mir ist es offen gestanden auch vollkommen egal, welche der drei Revox-Maschinen denn nun tatsächlich am besten klingt. Schließlich besticht jede von ihnen durch ihren ganz eigenen Charme - A 77 und B 77 sind mir bereits ans Herz gewachsen, und mit der A 700 freunde ich mich gerade an. Verzeiht mir also den Verrat, ihr Akais, ASCs, Ferrographs, Sonys, Tandbergs, Teacs oder Uhers: Auch ich konnte mich dem Mythos Revox auf Dauer nicht entziehen. Mittlerweile bin ich sogar froh, auf das richtige Pferd gesetzt zu haben. Sieht die Ersatzteillage bei vielen berühmten Bandmaschinen mehr als prekär aus, können Revox-Piloten der Zukunft gelassen entgegensehen. Verschleißteile sind zwar unverschämt teuer, aber erhältlich. Und wer nicht selbst Hand anlegen will, wendet sich an eine der noch zahlreich vorhandenen Service-Werkstätten oder direkt an Revox.
 
Damit ist meine Geschichte eigentlich zu Ende. Warum ich sie erzählt habe, hat jedoch nicht nur mit meiner Revox-Leidenschaft zu tun. Vielmehr sind für mich hochwertige Open-Reel-Geräte noch immer das Tonaufzeichnungs-Medium schlechthin. Ich erinnere mich noch gut, dass ich für den Schnitt für einen Werbespot das Stück "The Race" von Yellow von CD auf meine B 77 überspielte - was anschließend vom Band erklang, hat mich schier umgehauen: Es war so, als hätte die Musik auf einmal den nötigen Platz, um sich vollständig zu entfalten. Genau das ist auch der Grund, warum namhafte Musiker im Studio heutzutage wieder die Analog-Aufzeichnung präferieren.
 
Ist es blanker Anachronismus, im Zeitalter des Festplatten-Recorders wieder eine gebrauchte Bandmaschine zu erwerben? Bestimmt nicht. AUDIOphile empfiehlt: Greifen Sie zu, solange die Preise noch günstig sind - noch ahnen nur wenige Verkäufer die bevorstehende Renaissance der Open-Reel-Geräte. Der Philips-Werbeslogan für die Tonbandmaschine N 4520 brachte es auf den Punkt: Von hier gibt es keinen Weg mehr zurück.
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So bewertet Audiophile
SAMMLERWERT: AUDIOphile hört und misst nicht nur die Geräte - entscheidend für die Eingruppierung ist ebenso, ob Ersatzteile und Service für die Klassiker in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Im Falle der Bandmaschinen von Revox konnten die Balken getrost weit nach rechts gezogen werden: Sie erledigen ihre primäre Aufgabe nicht nur vorzüglich; im Fall des Falles lässt sich jede Maschine - gleich in welchem Zustand sie sich befindet - kompetent wieder instand setzen. Wer gleich eine überholte alte Maschine mit Garantie kaufen möchte, kann dies bei Revox tun. Dann kostet eine A 77 aber 1400 Euro.
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Daten und Technik im Überblick
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Revox A77
42 x 37 x 21
14 kg
Die A 77 wurde in unzähligen Ausführungen geliefert Die bekannteste war die gezeigte Kofferversion im Holzgehäuse, weitere waren der Lautsprecherkoffer sowie der 19-Zoll-Einbaukorb.
Eingänge:
dyn. Mikrophon (L + R) 2 x 6,3 mm Klinke (vorn) und 2 x Cinch rückseitig
1 x Hochpegel (Cinch)
1 x DIN 5-polig
Ausgänge:
1 x Line Out (Cinch, regelbar)
1 x DIN 5-polig
1 x Kopfhörer (6,3 mm Klinke)
Druckguss-Chassis mit zwei Außenläufer-Wickelmotoren und elektronisch geregeltem Tonwellenmotor. Hubmagneten für Bremsaggregat und Andruckarm. Vollmetall-Aufnahme- und -Wiedergabekopf in Halb- oder Viertelspurtechnik. Volltransistorisierte (Silizium) Verstärker, NAB-oder DIN-entzerrt.
Optimal eingemessen liefert die Revox A 77 - vom Tiefbass abgesehen - einen absolut glatten Frequenzgang. Die Verzerrungen halten sich erfreulich zurück, und der Rauschabstand beträgt gute 66 dB. Die Höhendynamik lässt bei 19 cm/s naturgemäß etwas nach. Die Stärke der A 77 ist, wie in Abb. 3 zu sehen, ihr Gleichlauf. Dagegen sehen Plattenspieler alt aus.
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Frequenzgang Hinterband   Klirrspektrum 0 dB, 19 cm/s   Gleichlaufton-Spektrum 19 cm/s
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Revox B77
45 x 42 x 21
17 kg
Ebenso wie das Vorgängermodell gab es die B 77 in zahlreichen Varianten. Die meistverkaufte war die gezeigte Kofferversion im grauen Nextelgehäuse. Bei der B 77 eher selten ist der 19-Zoll-Einbaukorb.
Eingänge:
dyn. Mikrophon (L + R) 2 x 6,3 mm Klinke (vorn)
1 x Hochpegel (Cinch)
1 x DIN 5-polig
Ausgänge:
1 x Line Out (Cinch, regelbar)
1 x DIN 5-polig
1 x Kopfhörer (6,3 mm Klinke)
Druckguss-Chassis mit zwei Außenläufer-Wickelmotoren und elektronisch geregeltem Tonwellenmotor. Variable Bandgeschwindigkeiten. Hubmagneten für Bremsaggregat und Andruckarm. Vollmetall-Aufnahme- und -Wiedergabekopf in Halb- oder Viertelspurtechnik. Voll transistorisierte Verstärker, NAB- oder DIN-entzerrt.
Die leichte Höhenbetonung mit dem modernen Band LPR 35 von Emtec ließe sich durch eine höhere Vormagnetisierung wettmachen. Doch darunter würden die gute Dynamik und die Verzerrungsarmut leiden, die bei hohem Tempo gegenüber 19 cm/s nochmals zulegt (68,5/71 dB Tiefen-/Höhen-Dynamik). Der Gleichlauf erreicht dabei sogar Werte um +/-0,03%.
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Frequenzgang Hinterband   Klirrspektrum 0 dB, 38 cm/s   Gleichlaufton-Spektrum 38 cm/s
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Revox A700
48 x 46 x 21
24 kg
Standard bei der A 700 war die anthrazit-farbene Ausführung. Die Verkleidungsbleche waren direkt mit dem Chassis verschraubt.
Eingänge:
Mikrophon (L + R) 2 x 6,3 mm Klinke trafosymmetriert
2 x Hochpegel (Cinch)
1 x Phono Magnet Cinch)
1 x DIN 5-polig
Ausgänge:
2 x Line Out (Cinch, fest und regelbar)
1 x Endstufe (DIN 5-polig)
2 x Kopfhörer (6,3 mm)
Druckguss-Chassis mit zwei Bandzuggeregelten Außenläufer-Wickelmotoren und elektronisch geregeltem Tonwellenmotor. Drei Bandgeschwindigkeiten. Varispeed-Einrichtung. Hubmagneten für Bremsaggregat und Andruckarm. Vollmetall-Aufnahme- und -Wiedergabekopf. Mit integrierten Schaltungen bestückte Verstärker, NAB- oder DIN-entzerrt.
Kopfspiegelresonanzen bewirken bei der 38er-Geschwindigkeit den steilen Abfall unter 30 Hz. Ansonsten sind mit jedem Band ausgewogene Frequenzverläufe erreichbar. In puncto Dynamik erreicht die A 700 Spitzenwerte: Rauschabstand 69/69,5 dB und Höhendynamik 66/72 dB (bei 19/38cm/s). Mit +/- 0,074 % schon bei 19 cm/s überzeugt auch der Gleichlauf voll.
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Frequenzgang Hinterband   Klirrspektrum 0 dB, 38 cm/s   Gleichlaufton-Spektrum 38 cm/s
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Dieser Testbericht wurde mit freundlicher Genehmigung der "Vereinigte Motor-Verlage GmbH & Co. KG" dem Audiophile Heft 03/2003 entnommen.
 
Autor: Jürgen Schröder
Fotos: ?
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